Photonen-Scanner: next Level für Computertomographen

Die Medizintechnik befindet sich mitten in einer Revolution – und der klassische CT-Scanner als Generator klinischer Bildgebung wird zunehmend abgelöst. Photonenzählende Detektoren in Computertomographen ermöglichen es, wesentlich schärfere Bilder in viel kürzerer Zeit zu erzeugen. Damit können Patienten schneller eine exaktere Diagnose erhalten. Mit dem NAEOTOM Alpha ging 2021 das erste klinische photonenzählende CT-System an den Start. Entwickelt wurde das System von Siemens Healthineers in Forchheim. Für die dafür notwendige Software wurde in firmenübergreifenden Teams auch mit Software-Entwicklern von ISO Software Systeme zusammengearbeitet.

Photonen Scanner

Photonenzählende Detektoren bieten eine deutlich klarere Darstellung als herkömmliche CT-Scanner.*

Revolution der klinischen Bildgebung

Die Computertomographie (CT) ist seit Jahrzehnten das zuverlässige Arbeitspferd der klinischen Bildgebung. Dank der großen Robustheit, gepaart mit hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung, hat sich diese Bildgebungsmodalität in der klinischen Diagnostik des 20. Jahrhunderts schnell etabliert und ist mittlerweile im klinischen Alltag unersetzlich geworden. Seit ihrer Erfindung wurde die klinische CT-Bildgebung erheblich weiterentwickelt. Allerdings waren die letzten Jahrzehnte eher von graduellen Verbesserungen der CT-Technologie geprägt.

Einen großen Sprung in diesem Bereich stellt die photonenzählende Technologie (photon counting detector, PCD) dar, die wesentlich bessere Bilder liefert als die bisherige CT-Bildgebung.

Forschungseinrichtungen wie das CERN, die Europäische Organisation für Kernforschung, beschäftigen sich bereits seit geraumer Zeit damit, diese Technologie für die Medizin zu nutzen.

Schärfere Bilder bei geringerer Strahlenbelastung

Mit dem NAEOTOM Alpha entwickelte Siemens Healthineers den weltweit ersten photonenzählenden Scanner, der bereits seit 2021 in klinischer Routine eingesetzt wird. Die Anlange liefert bei geringerer Strahlenbelastung deutlich bessere Bilder als die bisher in diesen Geräten eingesetzten Technologien. Hierbei hat sich Siemens Healthineers zum Ziel gesetzt, die Diagnosemöglichkeiten zum Wohle der Menschen zu verbessern.

Eine wichtige Rolle bei diesen Scannern spielt auch die Software: Sie steuert die PCD-Scanner und erfasst die nötigen Daten aus den Röntgenstrahlen, um detaillierte Bilder zu erstellen. Die Software kann auch bei der Analyse der Daten helfen, um Informationen über die Struktur und Zusammensetzung von Materialien zu erhalten. Insgesamt trägt die Software in den photonenzählenden Computertomographen dazu bei, die Genauigkeit und Effektivität der Materialanalyse zu verbessern.

Auch für den reibungslosen Betrieb muss eine leistungsstarke IT-Infrastruktur vorhanden sein, da die produzierte Datenmenge der hochdetaillierten Bilder vielfach größer ist als bisher. Genau hier kommen auch die Software-Experten der ISO Software Systeme ins Spiel: bereits seit vielen Jahren unterstützen über 50 Software-Entwickler des Nürnberger IT-Spezialisten Siemens Healthineers in Forchheim in mehreren, übergreifenden Teams. Im Wesentlichen wird für die Konzepterstellung und in der Vorentwicklung in C++ und Python programmiert. Bei der Produktentwicklung kommt C# zum Einsatz. Die Software-Entwicklung umfasst dabei die Programmierung der Benutzeroberfläche, die Steuerung der Hardware-Komponenten, die Datenaufzeichnung und -analyse sowie die Integration von Algorithmen zur Signalverarbeitung und Rauschunterdrückung. Zudem muss die Software auch die Daten in Echtzeit verarbeiten und anzeigen können, um dem Benutzer eine schnelle Rückmeldung zu geben.

Darüber hinaus ist es in der Software-Entwicklung wichtig, die photonenzählenden CTs zu kalibrieren und zu warten, damit die Geräte ordnungsgemäß funktionieren und korrekte Messergebnisse liefern.

Funktionsweise: Konventioneller CT-Scanner vs. photonenzählender

Grundsätzlich sind die wichtigsten beiden Bauteile herkömmlicher CTs die Röntgenröhre und der Detektor, welche bis zu viermal pro Sekunde um den Patienten
rotieren.

Dabei erzeugt die Röhre eine Röntgenstrahlung. Die damit einhergehenden Photonen passieren den Patienten und treffen anschließend auf den Detektor, der die Signale in Helligkeitswerte umwandelt. Das passiert zirka eintausend Mal pro Rotation, wobei in einem dieser Vorgänge ca. 30.000 Photonen an einem Detektorelement ankommen. Das bedeutet, dass der Detektor etwa alle acht Nanosekunden von einem Photon getroffen wird. Bisher war es mit keinem Detektor möglich, so schnell auf die Photonen zu reagieren und diese zu messen, weshalb alle 30.000 Photonen zusammengefasst und auf einmal gemessen werden.

Aber wie genau entstehen aus Photonen auswertbare Daten? Bisher bestehen alle erhältlichen Detektoren aus einer speziellen Keramik, die leuchtet, wenn sie von einem Photon getroffen wird. Dieses Licht wird dann von Photodioden gemessen und in Spannungen übertragen. Diese Spannungen können anschließend in Helligkeitswerte, also in ein CT-Bild, umgewandelt werden.

Das Verfahren hat allerdings Nachteile: Da mit Licht gearbeitet wird, müssen die einzelnen Detektorelemente von einer reflektierenden Schicht ummantelt werden, um alle Lichtstrahlen auf die Diode zu lenken. Dadurch entstehen Flächen am Detektor, die ankommenden Photonen nicht verwerten können, weshalb die Strahlendosis erhöht werden muss, um dennoch ein gutes Bild zu erhalten. Außerdem können die einzelnen Detektorelemente nicht beliebig verkleinert werden, da durch diese Verkleinerung deutlich mehr Flächen entstehen, welche keine Daten produzieren und somit wiederum zu einer erhöhten Strahlendosis führen.

Mit den neuen Detektoren der photonenzählenden CTs hat es Siemens Healthineers geschafft, auf die Umwandlung in Licht zu verzichten. Entsprechend ist auch keine reflektierende Schicht mehr nötig. Stattdessen wird ein kristalliner Halbleiter verwendet, der die Photonen direkt in ein elektrisches Signal umwandelt. Dadurch sind deutlich schnellere Messungen in einem Abstand von nur einigen Nanosekunden realisierbar. Somit ist es möglich, jedes einzelne Photon individuell zu messen. Zusätzlich verringert sich dadurch die Strahlenbelastung deutlich.

Das Resultat sind hochauflösende Bilder mit einem sehr starken Kontrast, die schnellere und umfassendere Diagnosen von Erkrankungen ermöglichen. Im Ergebnis können so die richtigen Therapien und deren Wirksamkeit wesentlich schneller festgestellt werden als mit herkömmlichen CT-Scannern.

Der springende Punkt: Cadmium-Tellurid-Kristalle

Das alles machen erst die von Siemens Healthineers gezüchteten Cadmium-Tellurid-Kristalle möglich. Das Projekt startete 2003 mit Simulationen, die zeigen sollten, welche Vorteile diese neue Technologie mit sich bringen würde. Viele der Konkurrenten verwarfen bereits damals diese Theorie und stoppten ihre Projekte. Siemens Healthineers aber blieb hartnäckig, forschte weiter und hängte die Konkurrenz so um Jahre ab. Der erste Prototyp und damit der erste Scan an einem echten Patienten wurde dann 2014 realisiert.

Bis zur Markteinführung 2021 musste noch einige Jahre weiter geforscht werden. Dazu baut Siemens Healthineers in Forchheim auch seit Mitte 2023 eigens eine Fabrik, um diese Kristalle für die Halbleiterproduktion in industrieller Größenordnung zu züchten. Die Kristallfabrik mit einer Nutzfläche von über 9.000 Quadratmetern soll 2026 in Betrieb gehen. Der Neubau wird die Fertigungskapazität bei Kristallen deutlich steigern, Lieferengpässe verhindern und Bauzeiten verkürzen. Auch die Forschung und Entwicklung für die hochkomplexe Herstellung dieser Kristalle wird in Forchheim ausgebaut.

Der Aufwand lohnt sich, denn der entscheidende Faktor in der Herstellung der Cadmiumtellurid-Kristalle ist eine absolute Reinheit. Die kristalline Struktur muss absolut perfekt sein, um die elektrischen Eigenschaften des Materials nicht zu stören. Um das zu gewährleisten, müssen die Kristalle in Reinräumen hergestellt werden. Die kleinste Verunreinigung macht den gezüchteten Kristall unbrauchbar. Das geht so weit, dass selbst das Material, aus dem der Hammer, der zum Zerkleinern der Rohmaterialien verwendet wird, speziell ausgewählt sein muss.

Wenn das Züchten der Kristalle nach zehn bis zwölf Wochen abgeschlossen ist, werden diese entlang der kristallinen Struktur in dünne Platten geschnitten, welche sich dann zu Detektorelementen weiterverarbeiten lassen.

Für diese Technologie und die daraus resultierenden CT-Scanner wurde Siemens Healthineers für den Deutschen Zukunftspreis 2021 nominiert. Ein toller Erfolg, an dem auch die Software-Entwickler der ISO Software Systeme Anteil hatten.

*im Bild: Mittel- und Innenohr - Quelle: Dr. A. Persson, Universität Linköping, Schweden

„Dem Wohle der Menschheit dienen zu können, ist ein wesentlicher Ansporn für unser tägliches Arbeiten. Neben dem innovativen Umfeld, in dem wir bei Siemens Healthineers an zukunftsfähigen Technologien arbeiten, steht für uns immer auch der Mensch und dessen Gesundheit im Mittelpunkt,“ erklärt Klaus Hettrich, Bereichsleiter Medizintechnik Products & Innovation (PI), ISO Software Systeme GmbH.